Schweizer Spitze

Sven Wassmer

Erfolgsrezept: In Bad Ragaz macht Sven Wassmer vor, wie man mit Bergsanddorn, fermentierter Rohmilch und Quellwasser-Saibling drei Sterne erkocht.


„Für mich geht ein Jugendtraum in Erfüllung“, sagte Sven Wassmer, sichtlich bewegt, als er im Oktober 2022 in Lausanne die höchste kulinarische Auszeichnung entgegennahm: drei Sterne vom Michelin. Er ist damit einer von nur vier Drei-Sterne-Köchen in der Schweiz, einer von 138 weltweit. Doch der 35-Jährige sagt auch: „Auf dem Weg zum Gipfel gibt es keine Abkürzungen.“

Harte Arbeit, enormer Ehrgeiz und ein ganz eigener Küchenstil stecken hinter dem Erfolg: In seinem Restaurant Memories in Bad Ragaz, am Fuß der Graubündner Bergwelt, pflegt Wassmer eine innovative, naturverbundene und sehr puristische Alpenküche: Seine Gäste sollen den Wert der (vermeintlich) einfachen Lebensmittel wiederentdecken. Fast ausschließlich Schweizer Produkte kommen auf den Tisch. „Der alpine Raum hat kulinarisch eine große Zukunft“, sagt er überzeugt. „Vor der Arbeit der Bauern, Züchter, Imker, Jäger und Sammler habe ich enormen Respekt.“

Zum Beispiel vor der des Fischzüchters Curdin Capeder, dessen Teiche im abgeschiedenen Bergtal Val Lumnezia auf rund 1.300 Meter Höhe von frischem, kühlem Quellwasser gespeist werden. „Die Zucht ist nur per Quad erreichbar, im Winter mit dem Schneemobil“, sagt Wassmer. Capeders Bergsaibling ist fast schon so etwas wie ein Klassiker im Memories-Menü, an Purismus kaum zu überbieten: ein Stück Fisch auf einem weißen Teller. Vor den Augen der Gäste wird am Tisch noch etwas Sauce darübergegeben, karamellisierter Sennenrahm mit grünen Einsprengseln – ein Tannenöl. Das Ergebnis begeistert: Der Fisch wurde behutsam mit etwas Heu und getrockneten Tannenzapfen angeräuchert, dann bei Niedrigtemperatur unter Folie im Ofen angegart. „So fangen wir alle Eigenaromen ein“, sagt Wassmer.

Wie kein anderer steht der Küchenchef des Memories heute für die neue Alpenküche seiner Heimat. Und das, obwohl er eigentlich aus einer vergleichsweise flachen Region der Schweiz stammt, dem Aargau. Schon als kleiner Junge wusste er, dass er Koch werden wollte: „Von meiner Mutter und meiner Großmutter habe ich enorm viel gelernt.“ Gezielt bewarb er sich im Lauf seiner Karriere bei den Großen der Zunft, mit 25 war er Souschef beim Schweizer Superstar Andreas Caminada. Es folgten Stationen in London beim portugiesischen Weltenbummler Nino Mendes und am Vierwaldstättersee beim damaligen Shooting Star Nenad Mlinarevic, der 2015 vom Gault&Millau als „Koch des Jahres“ ausgezeichnet wurde.

 Dann kam das Angebot aus Vals. Ein winziges, abgeschiedenes Graubündner Bergdorf auf 1.252 Meter Höhe, wo der Schweizer Stararchitekt Peter Zumthor nicht nur die wegweisenden Therme Vals, sondern auch das dazugehörige Hotel 7132 erbaut hatte. Das dortige Restaurant Silver kochte Wassmer in kürzester Zeit auf die kulinarische Landkarte, bereits im ersten Jahr gab es den ersten Stern und 17 Gault&Millau-Punkte, ein Jahr später den zweiten Stern.

Seine eigene Linie, eine radikale Alpenküche, entwickelte er als Küchenchef im Restaurant Silver in Vals, einem winzigen, abgeschiedenen Graubündner Bergdorf. Er sammelte eigenhändig Wildkräuter auf Almwiesen in 1.800 Meter Höhe, baute fermentierte Rohmilch, frittierten Schweineschwanz und sogar Waldameisen in seine Menüs ein. Mit Anfang 30 wurde er Küchendirektor im komplett neu gestalteten Hotel Quellenhof, das zum Ensemble des Grand Resort Bad Ragaz zählt. Dort ist er zuständig für die gesamte Gastronomie des Hauses, insbesondere aber für das Gourmetrestaurant Memories (3 Sterne, 18 G&M-Punkte) und das Zweitrestaurant Verve By Sven, in dem er eine gesunde Wohlfühlküche mit Anspruch bietet (1 Stern, 14 G&M-Punkte).

Im Memories kochen Wassmer und sein Team in ihrer offenen Show-Küche wie auf einer Bühne mitten im Raum. Die Gäste sitzen an weit auseinanderstehenden Tischen, wie offene Separees von mannshohen Eschenholzlamellen eingerahmt, die von den umliegenden Bergwäldern inspiriert wurden. Die Decke schmückt eine acht Meter lange goldene Lichtinstallation in Form von Tulpenblättern, für das Parkett arbeitete man den Originalboden des Hauses von 1869 auf. Wassmers hochästhetisch präsentierte Kreationen passen perfekt in diesen Rahmen, von Felchen aus dem Zugersee mit Albelikaviar und Meerrettich bis zum Filet von der elf Jahre alten Kuh, das er eigenhändig auf den Yakitori-Grill legt. Und was isst der gefeierte Chef selbst in seiner Freizeit am liebsten? Ganz einfach: „Eine St. Galler Bratwurst mit einem Bier.“

Mehr Informationen: memories.ch

 

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