Die Gipfelstürmer

regionale genüsse

Wird die Alpenküche die neue Nordic Cuisine? Im Salzburger Land zeigt eine junge Generation von Spitzenköchen, wie sich die lokalen Schätze der Natur in Highend-Gerichte verwandeln lassen.


Steinbutt aus der Bretagne, Poularde aus der Bresse, Lamm aus Pauillac? Für andere Köche mag so das Nonplusultra der Gourmandise aussehen, aber nicht für Andreas Döllerer. Er bevorzugt Hecht aus dem Attersee, Wildhendl vom nahen Biohof und Lamm aus den Hohen Tauern. Nur eine halbe Stunde vom Salzburger Domplatz entfernt liegt sein Restaurant Döllerer, wo er Österreichs regionale Schätze auf Gourmetniveau hob, lange bevor es Trend war. „Steinbutt oder Loup de Mer bekommt man überall auf der Welt“, sagt er. „Aber den Saibling aus dem Bluntautal, den gibt es nur bei uns.“

Döllerer © Helge Kirchberger

Immer dann, wenn er zu viel in der Küche gestanden hat und Inspiration braucht, besucht er seinen Freund Sigi Schatteiner, den sie auch den Fischflüsterer nennen. Seine Zucht liegt nur ein paar Kilometer von Döllerers Herd entfernt im grünen Bluntautal. „Sigis Saiblinge schwimmen im kalten, klaren Wasser der Wildbäche ihr Leben lang gegen die Strömung an“, sagt der Küchenchef. „Das macht ihr Fleisch so besonders straff und delikat.“ Schon seit 2008 verzichtet Döllerer auf Meeresfische und -früchte, damals ein radikaler Ansatz. Seine „Cuisine Alpine“ verlässt sich ganz auf Rohstoffe aus den Salzburger Alpen.

Abends im atmosphärischen Gourmetrestaurant kommt der Saibling roh mariniert auf den Tisch, in einem Sud aus Molke, brauner Butter und Krautsaft, gebettet auf confiertem Erdapfel, dazu Schnittlauch und etwas Kaviar. Zum engagierten Familienbetrieb (seit 1909) gehören neben Gourmetrestaurant und Wirtshaus auch Metzgerei, Weinhandel und Hotel. Typisch Döllerer sind Gerichte mit Augenzwinkern, allen voran sein „Alpin-Ramen“: eine getöpferte Schale, gefüllt mit intensiv duftender Hendlhaxl-Brühe, Fleisch vom Abtenauer Bio-Wildhendl und vom Duroc-Schwein, dazu ein zwei Tage gebeiztes Ei, Tannenflechten und Dinkel-Ramennudeln, die ein naher Bio-Bauernhof nach japanischem Vorbild produziert.

Döllerer © Jörg Lehmann

Mit solchen Kreationen wurde Döllerer zum Vordenker der neo-alpinen Küche im Salzburger Land, das reich an kulinarischen Traditionen und geschichtsträchtigen Häusern ist. Vielerorts hat heute die junge Generation das Ruder übernommen und nicht nur im Interior Design, sondern auch in der Küche die Zeitenwende eingeläutet. So auch im Weyerhof, einem imposanten Bau am Fuß des Wildkogel im Pinzgau, unweit des Nationalparks Hohe Tauern. 1130 erstmals urkundlich erwähnt, wird er seit 1832 von der Familie Meilinger geführt.

In den holzgetäfelten Stuben nimmt man unterm Kuppelgewölbe Platz und staunt nicht schlecht, wenn Franz Meilinger sein Überraschungsmenü serviert, das sich so treffsicher auf der Höhe des kulinarischen Zeitgeists bewegt, als säße man in Kopenhagen, Berlin oder Wien zu Tisch und nicht in Bramberg am Wildkogel. Reh gibt es in zwei Gängen: erst als schmackhafte Bolognese auf Béchamelsauce zu hausgemachter Fregola Sarda, geschwenkt in Salbeibutter mit einem Topping aus leicht geeisten Preisel- und fermentierten Heidelbeeren. Und anschließend perfekt rosa gebratenen Rücken, den Fenchel, gefüllte Zwetschge sowie ein klassisch eingekochtes Powidl aus Zwetschgen und fermentiertem schwarzen Knoblauch begleiten. Das ist Nova-Regio-Küche vom Feinsten, was nicht überrascht, wenn man weiß, dass Meilinger prägende Jahre in Heinz Reitbauers Steirereck in Wien verbrachte.

Mesnerhaus

Gelebte Tradition hinter alten Mauern – das bietet auch das Mesnerhaus im Lungau, einer stilleren Ecke im Südosten des Salzburger Lands, kurz vor der Grenze zu Kärnten. Hier findet man noch viel unberührte Natur, die Region wurde als UNESCO-Biosphärenpark eingestuft. „Hier gibt es noch viele kleine Bauernhöfe, dort kaufen wir direkt ein“, sagt Josef Steffner.

Er stammt aus der Region und kehrte nach seinen Wanderjahren zurück, als sich die Gelegenheit bot, das über 600 Jahre alte Mesnerhaus in Mauterndorf zu kaufen.

Mesnerhaus

Drinnen, in den liebevoll restaurierten Stuben, staunen die Gäste, was der Hausherr bei seinen Ausflügen in die Natur entdeckt. „Der Wald“ nennt sich ein Teller, der schmeckt und duftet wie ein Waldspaziergang: Die frischen Herbsttrompeten und eingelegten Vogelbeeren sind selbst gesammelt, auch die Flechten, die am Boden wachsen und in der Küche zu herbem Crumble verarbeitet wurden. Reh aus heimischer Jagd taucht in Form von Carpaccio auf, gerollt und mit Pilzduxelles gefüllt, für den kleinen Raviolo wurde das Wild vorab mit Wacholder mariniert. Mehr Natur auf dem Teller geht nicht.

 

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